Wie wohl die meisten Leute habe ich bis vor einiger Zeit noch auf Durchzug gestellt, wenn es in den Nachrichten um Dinge wie "Inflation", "Geldmenge", "Dollarkurs", "Goldpreis", "Ölpreis" etc. ging. Wirtschaft? Geht's noch langweiliger? Geld? Kommt doch aus dem Automaten, oder? Inwischen denke ich da doch ein wenig anders.

Fängt man erst einmal an, sich mit der Materie zu beschäftigen (natürlich nicht freiwillig, sondern weil ein guter Freund einem nahelegt "das doch mal zu lesen"), beginnt man plötzlich Zusammenhänge zu entdecken und stellt fest, daß die Geschichte des Geldes insbesondere die der jüngeren Vergangenheit (also nach dem zweiten Weltkrieg) eher einem Krimi als einer Gutenachtgeschichte gleicht. Anderseits - sie hat auch etwas von einer Gutenachtgeschichte, denn so wie die Dinge aussehen, gehen in nicht all zu ferner Zukunft die Lichter aus. Weltweit. Es läßt sich nicht verleugnen, ich bin da ein hoffnungsloser Pessimist.

Wie schön, wenn man an diesem Punkt entdeckt, daß man nicht allein ist mit seinen schwarzen Gedanken. Und so stieß ich heute auf die Site von Michael Prox, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, den weltweiten Wirtschaftszusammenbruch zu dokumentieren. Der Mann hat bereits eine gewaltige Menge an Informationen zusammengetragen - Respekt. Da werde ich künftig öfter vorbeischauen.


Soso, laut Guardian ist "Chav" das Buzzword des Jahres 2004 in England. Das zumindest hat Susie Dent in ihrem Buch Larpers and Shroomers: The Language Report ermittelt. Und was ist ein Chav genau? Das Oxford Advanced Learner's Dictionary sagt: A young person, often without a high level of education, who follows a particular fashion: There are always loads of chavs hanging round the shopping centre. Chavs usually wear designer labels, and if they’re girls, very short skirts and stilettos. Chavs still see branded baseball caps as a status symbol and wear them at every opportunity.

Na, dafür gibt es doch auch im Deutschen bereits eine passende Übersetzung: Der Schwörer. Ich bin mir allerdings bei der weibliche Form noch nicht so ganz sicher: Heißt es die Schwörerin? Oder doch eher die Schwörette? Wird Zeit, daß das endlich mal im Duden aufgenommen wird.


Max Goldt könnte von mir aus über das Telefonbuch schreiben - Hauptsache er schreibt. So freue ich mich, in der Online-Ausgabe der Zeit seinen Reisebericht über Katar lesen zu dürfen. "Alle fünfzehn Minuten wurde das Stück Feelings gespielt, und zwar mit der Zartheit eines Teppichklopfers". - schöööön.

via furl


Seit mehr als zwei Jahren komme ich täglich an diesem Ort vorbei, bei dem es sich laut Beschriftung um einen Spielplatz handeln soll. Ich frage mich, für wen? Kinder habe ich dort in all der Zeit noch nicht ein Mal gesehen.

Trauerspielplatz


Es handelt sich hier vermutlich um einen dieser Alibi-Spielplätze, die bei Wohnblocks ab einer gewissen Größe gebaut werden müssen. Man kann direkt spüren, wie sehr es den Bauherren geschmerzt haben muß, dafür 50m² kostbare Grundstücksfläche rauszurücken. Was geht im Kopf des Menschen vor, der das geplant hat? "Wie schaffe ich es mit minimalem Einsatz von Mitteln, maximale Langeweile zu produzieren und gleichzeitig den Mindestanforderungen der Baubehörde zu genügen?" Das ist rundum gelungen - hier wird mit Sicherheit nie Kindergeschrei ertönen, das die Anwohner belästigt.

Jetzt frage ich mich aber doch: gibt es denn keine öffentliche Stelle, die so etwas gelegentlich kontrolliert? Oder vielleicht eine Telefonnummer unter der man solche Spielschrottplätze melden kann? Für kaputte Straßenlaternen gibt's das schließlich auch.

Mein Lieblingsgerät ist der Spielgalgen. Das Seil scheint allerdings momentan in der Reinigung zu sein:

Der Galgen vom Trauerspielplatz


Am schönsten sind sie immer frisch geschlüpft. Wenn man sie mit nach Hause nimmt, glänzen sie meistens schon am nächsten Tag nicht mehr so richtig. Schade eigentlich.
alien kastanie


Meist muß man anglizistische Reklameslogans erst ins ihn ins Deutsche übersetzen, damit sie sich in ihrer vollen Sinnleere entfalten, "Think what you drink" gehört nicht dazu. Dieser Spruch ist bereits in Orginalfassung hohl. Ist das überhaupt Englisch? Oder ist das so etwas wie "Handy", also eine dieser Wortkonstruktionen made in Germany, gebaut wie Lieschen Müller sich Englisch vorstellt?

Der Spruch soll für ípsei werben - ein neues Retortengetränk aus den Labors von Coca-Cola, die sich jedoch auf den Citylight-Postern mit ihrem Namen - aus welchen Gründen auch immer - im Hintergrund halten. ípsei soll wohl so etwas wie der iPod der Erfrischungsgetränke werden: ein "intelligentes" Kaltgetränk für Leute mit vermeintlichem Geschmack, die gerne auch etwas tiefer in die Tasche greifen "wenn das Design überzeugt". Warum auch nicht? Apple ist es schließlich auch gelungen, ihre Jünger davon zu überzeugen, daß es beim Abspielen von mp3s nicht auf den Preis pro Megabyte Speicherplatz ankommt, sondern daß der Speicherplatz zunächst mal gut aussieht. Und da bis heute noch keiner ein Verfahren zur IQ-Bestimmung von gefärbtem Leitungswasser entwickelt hat, kann man Coca-Cola keinen Vorwurf machen, wenn sie ihre Erzeugerabfüllung bis zum Beweis des Gegenteils als intelligent bezeichnen.

ípsei? Bei der Namensfindung hatte man wohl das klassische Problem, daß alle guten Namen bereits im Keller des Patentamts liegen oder, wenn nicht, die wohlklingenden - in einer spanischen Hafenbar ausgesprochen - einen mehrtägigen Krankenhausaufenthalt zur Folge haben. "Ipsei" ist ... eher schwierig. Wer den Luxus einer humanistischen Ausbildung genossen hat, denkt zunächst an "ipsum" das lateinische Wort für "selbst". Selbst? Also das Getränk für die Generation Ego? Naja, das wäre doch wohl ein wenig zu ehrlich für ein Weltunternehmen. Aber wer weiß, möglicherweise geriet die lateinische Wurzel eher zufällig in die engere Wahl - vielleicht wurde von der Agentur beim Drucken der Präsentationsmappen in einer Headline Blindtext vergessen, der ja bekanntermaßen mit den Worten "Lorem ipsum dolor sit amet.." beginnt. Dann, während des entscheidenden Meetings stößt der Marketingleiter darauf und sagt "Lorem? Naja. Dolor? Klingt eher wie ein Spülmittel. Aber Ipsum - das hat was... Warten sie mal. Ipsi? Ipsie? Gar nicht übel.. Vielleicht ein bißchen zu nah an Pepsi, aber - hehe - warum eigentlich nicht? Mal sehen, wenn wir hier noch was drehen.... Wie wäre es mit Ipsei? Ja, ich sag es immer wieder: wenn man nicht alles selber macht. Wofür bezahlen wir sie eigentlich?" Die Agentur rettet ihren Ruf schließlich noch mit den Vorschlag, einen kecken Akzent auf das kleingeschriebene "i" zu setzen und wird beauftragt nachträglich eine Philosophie für den Namen zu entwickeln. Schließlich mogeln sie sich mit folgende Zeilen aus der Affäre, schwarz auf weiß zu lesen auf der Website: "Jetzt wollen Sie wenigstens wissen, woher der Name kommt? Tja, das weiß leider keiner mehr so genau. Aber klingen tut er gut."

Tut er das? Wie lautet denn eigentlich die korrekte Aussprache? Vor dem Citylight-Poster stehend, ohne tönende Hilfestellung seitens der Website öffneten sich mir diverse Möglichkeiten, das í-Wort über die Zunge laufen zu lassen: auf gut Deutsch könnte ich das "sei" aussprechen wie in "Mein Name sei Gantenbein". Kann ich mir aber nicht ganz vorstellen - liegt doch "sei" lautmalerisch zu nahe an "abseihen", ein viel zu profaner Vorgang für einen Tropfen dieser Provenienz. Soll das "ei" vielleicht getrennt gesprochen werden? Also "ip-se-i" - So wie in Alm-Öhi? Und will man dadurch die Illusion wecken werden, es handele sich um feinstes Heidi-Alpenquell-Wasser? Wäre nicht der typographische Zaunpfahl in Form von Fettschrift im Logo, könnte man auch auf den Gedanken kommen, den Namen als "ips-ei" zu lesen. Ips? Yps? Gibt es da irgendwo eine Geheimstudie, die die Yps-Leser von gestern als die iPod Käufer von heute und ípsei Trinker von morgen identifiziert?

Aber ich will fair sein - schließlich ist ípsei wohl nicht als Erfrischungsgetränk der Unterschicht geplant - Coca Cola erwartet bei ihren potentiellen Käufern einen gewissen Mindest-Bildungsstand und das Wissen, daß es noch andere Möglichkeiten gibt, die Silbe "sei" auszusprechen: so wie in Italien oder Japan zum Beispiel. Denn wie sang uns schon Eros Ramazotti? "Quanto amore sei". Und wie heißt der Meister aus dem Karatestreifen? Sensei. Heureka! Jetzt haben wir auch noch fernöstliche Lebensart untergebracht! Doch was bedeutet das "ip"? Ein Art Bäuerchen? Mangels Kohlensäure wohl eher unwahrscheinlich. Oder hat da etwa der Mann von der Namensfindungsagentur heimlich an Antoinette gedacht, die französiche Austauschpraktikantion, und ihre Art das Wort "hip" auszusprechen? "Isch findö diesö aschency un'eimlisch 'ip". Hip ist ja auch das Internet. Und war da nicht was mit IP? IP-Adresse oder so? Beim Internet geht es ja schließlich auch um Leitungen, da ist der Weg zum Leitungswasser nicht fern. Also das erste Internet-Bräu?

Doch die Lösung liegt auf, bzw. in der Hand und es offenbart sich hier der wahre Weitblick eines Global Players, der schon jetzt den nachhaltigen Umgang mit den Ressourcen der Welt im Auge hat. Trinkwasser ist ein kostbares Gut, warum also nicht den Recycling-Gedanken gleich im Produktnamen verinnerlichen: Denn wie heißt es auf englisch: "I pee, say" - "Ich trinke, also findet man mich auch gelegentlich dort hin, wo selbst der Kaiser zu Fuß hingeht." Danke Coca-Cola!


Er nennt sich "Finger" und ist wohl einer der wahnwitzigsten Typen die da draußen rumlaufen. Daß er trotz seiner unglaublichen Experimente und Konstruktionen überhaupt noch rumlaufen kann, bzw. darf, ist ohnehin ausgesprochen überraschend. Trotz des maximalen Nerd-Faktors bietet Finger's elektische Welt auch für Nicht-Elektroniker, Nicht-Pyrotechniker, Nicht-Mechaniker und Nicht-Raucher stundenlange Unterhaltung.


Auch wenn es thematisch eigentlich nicht hierher paßt, fand ich diesen Artikel über Akkus und wie man länger etwas davon hat, doch ausgesprochen lehrreich.


Gibt es etwas besseres als die Zamonien-Geschichten von Walter Moers? Ja, das gibt es: die Zamonien-Geschichten von Walter Moers, gelesen von Dirk Bach.

Inzwischen ist es ja kein Geheimnis mehr, daß es sich bei Walter Moers um einen der brilliantesten Autoren Deutschlands handelt, dessen Werke nur Ignoranten für Kinderbücher halten. Seine Art zu erzählen, Sätze zu schmieden und Worte zu formen, ist einzigartig. Die Quelle seiner Einfälle scheint unerschöpflich. Ein Moers' Buch liest man nicht einfach, man zelebriert es.

Und doch - wenn seine Geschichen wie teuerste Weine sind - vielschichtig, komplex und berauschend - dann ist Dirk Bach als Vorleser die Karaffe in der diese edlen Tropfen zur höchsten Vollendung kommen. Er trifft mit seiner Art des Vortrags scheinbar die verborgenen Resonanzfrequenzen der Geschichten und schafft es, ihnen harmonische Schwingungen zu entlocken, die mich als Zuhörer in die völlige Abhängigkeit treiben. Ja, ich gebe es zu: ich bin ein Walter Moers Junkie - UND ICH BRAUCHE MEHR STOFF!

Am Wochenende konnte ich meinen Endorphin-Spiegel durch den unbeschreiblichen Genuß von 21 CDs Rumo und die Wunder im Dunkeln glücklicherweise auf ein maximales Niveau erheben. Auf meinem Nachttisch liegt bereits Die Stadt der Träumenden Bücher um mich auf ein weiteres Hoch zu tragen. Doch was dann? Wie soll ich die Durststrecke überwinden, die danach auf mich wartet? Vermutlich ein Jahr oder mehr ohne Neuigkeiten aus Zamonien? Ich kann nur versuchen, mich mit dem erneuten Hören von Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär und Ensel und Krete über Wasser zu halten. Bitte Herr Moers - nicht aufhören!


Stieß heute im U-Bahn-Geschoß des Hauptbahnhofs auf folgende Installation und halte sie hier für die Nachwelt fest:

Sie trinken den Saft der Erde

"Sie trinken den Saft der Erde" finde ich als Titel für dieses Werk nicht unpassend.