Meist muß man anglizistische Reklameslogans erst ins ihn ins Deutsche übersetzen, damit sie sich in ihrer vollen Sinnleere entfalten, "Think what you drink" gehört nicht dazu. Dieser Spruch ist bereits in Orginalfassung hohl. Ist das überhaupt Englisch? Oder ist das so etwas wie "Handy", also eine dieser Wortkonstruktionen made in Germany, gebaut wie Lieschen Müller sich Englisch vorstellt?

Der Spruch soll für ípsei werben - ein neues Retortengetränk aus den Labors von Coca-Cola, die sich jedoch auf den Citylight-Postern mit ihrem Namen - aus welchen Gründen auch immer - im Hintergrund halten. ípsei soll wohl so etwas wie der iPod der Erfrischungsgetränke werden: ein "intelligentes" Kaltgetränk für Leute mit vermeintlichem Geschmack, die gerne auch etwas tiefer in die Tasche greifen "wenn das Design überzeugt". Warum auch nicht? Apple ist es schließlich auch gelungen, ihre Jünger davon zu überzeugen, daß es beim Abspielen von mp3s nicht auf den Preis pro Megabyte Speicherplatz ankommt, sondern daß der Speicherplatz zunächst mal gut aussieht. Und da bis heute noch keiner ein Verfahren zur IQ-Bestimmung von gefärbtem Leitungswasser entwickelt hat, kann man Coca-Cola keinen Vorwurf machen, wenn sie ihre Erzeugerabfüllung bis zum Beweis des Gegenteils als intelligent bezeichnen.

ípsei? Bei der Namensfindung hatte man wohl das klassische Problem, daß alle guten Namen bereits im Keller des Patentamts liegen oder, wenn nicht, die wohlklingenden - in einer spanischen Hafenbar ausgesprochen - einen mehrtägigen Krankenhausaufenthalt zur Folge haben. "Ipsei" ist ... eher schwierig. Wer den Luxus einer humanistischen Ausbildung genossen hat, denkt zunächst an "ipsum" das lateinische Wort für "selbst". Selbst? Also das Getränk für die Generation Ego? Naja, das wäre doch wohl ein wenig zu ehrlich für ein Weltunternehmen. Aber wer weiß, möglicherweise geriet die lateinische Wurzel eher zufällig in die engere Wahl - vielleicht wurde von der Agentur beim Drucken der Präsentationsmappen in einer Headline Blindtext vergessen, der ja bekanntermaßen mit den Worten "Lorem ipsum dolor sit amet.." beginnt. Dann, während des entscheidenden Meetings stößt der Marketingleiter darauf und sagt "Lorem? Naja. Dolor? Klingt eher wie ein Spülmittel. Aber Ipsum - das hat was... Warten sie mal. Ipsi? Ipsie? Gar nicht übel.. Vielleicht ein bißchen zu nah an Pepsi, aber - hehe - warum eigentlich nicht? Mal sehen, wenn wir hier noch was drehen.... Wie wäre es mit Ipsei? Ja, ich sag es immer wieder: wenn man nicht alles selber macht. Wofür bezahlen wir sie eigentlich?" Die Agentur rettet ihren Ruf schließlich noch mit den Vorschlag, einen kecken Akzent auf das kleingeschriebene "i" zu setzen und wird beauftragt nachträglich eine Philosophie für den Namen zu entwickeln. Schließlich mogeln sie sich mit folgende Zeilen aus der Affäre, schwarz auf weiß zu lesen auf der Website: "Jetzt wollen Sie wenigstens wissen, woher der Name kommt? Tja, das weiß leider keiner mehr so genau. Aber klingen tut er gut."

Tut er das? Wie lautet denn eigentlich die korrekte Aussprache? Vor dem Citylight-Poster stehend, ohne tönende Hilfestellung seitens der Website öffneten sich mir diverse Möglichkeiten, das í-Wort über die Zunge laufen zu lassen: auf gut Deutsch könnte ich das "sei" aussprechen wie in "Mein Name sei Gantenbein". Kann ich mir aber nicht ganz vorstellen - liegt doch "sei" lautmalerisch zu nahe an "abseihen", ein viel zu profaner Vorgang für einen Tropfen dieser Provenienz. Soll das "ei" vielleicht getrennt gesprochen werden? Also "ip-se-i" - So wie in Alm-Öhi? Und will man dadurch die Illusion wecken werden, es handele sich um feinstes Heidi-Alpenquell-Wasser? Wäre nicht der typographische Zaunpfahl in Form von Fettschrift im Logo, könnte man auch auf den Gedanken kommen, den Namen als "ips-ei" zu lesen. Ips? Yps? Gibt es da irgendwo eine Geheimstudie, die die Yps-Leser von gestern als die iPod Käufer von heute und ípsei Trinker von morgen identifiziert?

Aber ich will fair sein - schließlich ist ípsei wohl nicht als Erfrischungsgetränk der Unterschicht geplant - Coca Cola erwartet bei ihren potentiellen Käufern einen gewissen Mindest-Bildungsstand und das Wissen, daß es noch andere Möglichkeiten gibt, die Silbe "sei" auszusprechen: so wie in Italien oder Japan zum Beispiel. Denn wie sang uns schon Eros Ramazotti? "Quanto amore sei". Und wie heißt der Meister aus dem Karatestreifen? Sensei. Heureka! Jetzt haben wir auch noch fernöstliche Lebensart untergebracht! Doch was bedeutet das "ip"? Ein Art Bäuerchen? Mangels Kohlensäure wohl eher unwahrscheinlich. Oder hat da etwa der Mann von der Namensfindungsagentur heimlich an Antoinette gedacht, die französiche Austauschpraktikantion, und ihre Art das Wort "hip" auszusprechen? "Isch findö diesö aschency un'eimlisch 'ip". Hip ist ja auch das Internet. Und war da nicht was mit IP? IP-Adresse oder so? Beim Internet geht es ja schließlich auch um Leitungen, da ist der Weg zum Leitungswasser nicht fern. Also das erste Internet-Bräu?

Doch die Lösung liegt auf, bzw. in der Hand und es offenbart sich hier der wahre Weitblick eines Global Players, der schon jetzt den nachhaltigen Umgang mit den Ressourcen der Welt im Auge hat. Trinkwasser ist ein kostbares Gut, warum also nicht den Recycling-Gedanken gleich im Produktnamen verinnerlichen: Denn wie heißt es auf englisch: "I pee, say" - "Ich trinke, also findet man mich auch gelegentlich dort hin, wo selbst der Kaiser zu Fuß hingeht." Danke Coca-Cola!

10.10.04 20:39
Kommentare

Hallo, lieber Kritikus,
genial geschrieben, Weltklasse! Champions-league (man beachte den lautmalerischen stummen Schwung am Schluss dieses Wortes... fast so tiefsinnig wie Ihre köstlichen Ausführungen zur Endsilbe des neuen Intellektuellen-Gesöffs).

Nochmals Gratulation zu Ihren Zeilen, Harald Schmidt, der Altmeister der bissigen Satire, sollte bei Ihnen in die Lehre (nicht Leere!!!) gehen...

Hinterlassen von: sokrates am 01.01.05 17:31






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