Es gehört ja in weiten Bevölkerungskreisen gemeinhin zum guten Ton, auf unzureichende Mathematikkenntnisse auch noch stolz zu sein. Und da bei der Bildung inzwischen wohl der kleinste gemeinsame Nenner als Maßstab gilt, scheint die "Bild am Sonntag" heute mit ihrer "Mehrwertsteuer 4% rauf!"-Schlagzeile den Vorreiter zu einer Schlechtrechenreform machen zu wollen. Eigentlich erstaunlich - dachte ich doch bisher, daß die Bildzeitung zwar für minderbemittelte Menschen geschrieben wird, nicht aber von ebensolchen. Wie sonst ist es zu erklären, daß sich die Redakteure die eigentlich korrekte und wesentlich sensationellere Titelzeile "Mehrwertsteuer 25% rauf!" haben entgehen lassen?

So schwer ist das mit der Prozentrechnung doch wirklich nicht: momentan beträgt der Mehrwertsteuersatz 16%. Geplant ist angeblich eine Erhöhung auf 20%. Damit steigt der Satz um 4 Prozentpunkte. Aber 4 Prozentpunkte von 16 Prozentpunkten sind wiederum in Prozent 4/16*100 = 25%. In Worten: die Mehrwertsteuer soll um ein Viertel erhöht werden. Das ist nicht ohne.

Was bedeutet das in der Praxis: nehmen wir ein Produkt, das bisher 50 Euro gekostet hat. Bisher sind darin 50 - (50 / 1.16) = 6,90 Euro Mehrwertsteuer enthalten. Um zu berechnen, was dieses Produkt künftig kosten wird, müssen wir zu nächst die alte Mehrwertsteuer abziehen 50 - 6,90 = 43,10 Euro, und dann den neuen Preis berechnen 43,10 * 1.2 = 51,72 Euro. In diesem Fall bedeuten 25% mehr Mehrwersteuer also eine Verteuerung um 1,72 Euro, was einer Preissteigerung von 3,44% entspricht.

In diesem Zusammenhang kann man wieder einmal sehr schön sehen, wie die schon fast 100 Jahre alten Erkenntnisse des Finanzwissenschaftlers Amilcare Puviani auch heute ihre Gültigkeit bewahrt haben: Wie kann eine Regierung möglichst viel Geld aus ihren Untertanen pressen, ohne offenen Widerstand zu provozieren?

29.05.05 11:55
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